Die
Literatur befasst sich mit den Ursachen des Bösen, die zum Zweiten Weltkrieg
geführt haben. Die Schüler machen aus der Kunst ein Gedächtnis. Der Roman
„Jugend ohne Gott“ wird am 27. Januar in der Aula der St. Ursula
Schule kritisch betrachtet und zu einer Botschaft der Hoffnung für die junge
Generation umgewandelt.
Es
war nicht einfach, die Schüler des Darstellenden Spiel-Kurses im Sommer dazu zu
motivieren, sich mit dem Roman „Jugend ohne Gott“ zu beschäftigen. Im
September war es jedoch spannender, sich zusammenzusetzen und den Roman
mithilfe postmoderner Theatertechniken und Performances zu einem epischen Werk
zu machen.
Wenn
man dann auch noch so talentierte künstlerische Komponenten hat wie Felix
Munters chamäleonartige Fähigkeit, alle Vaterrollen (Gut und Böse) zu spielen,
Charlotte Rohlfings feinfühlige Intuition für alle Mütter des Romans, Luis
Bodenbenners erstaunliches Vermögen, den Lehrer zu verkörpern, Elias Grubers
schauspielerische Fähigkeiten für den natürlichen filmischen und theatralischen
Rhythmus, Gavin Friedels unermüdliches Interesse an Drehbuch und Regie in
Kombination mit einer spontanen und sauberen Darstellung der Figuren, Lena
Friedrichs wilde Schönheit mit ihrem faszinierenden und doch kindlichen Aspekt
eines Teenagers, Tobi Georgs Gelassenheit und Flexibilität bei jeder weiteren
Rolle… Dann ja, der Roman „Jugend ohne Gott“ kann zu einem
Theaterprojekt werden, das im Gedächtnis bleibt.
Die
Idee, eine Aufführung innerhalb einer Aufführung zu inszenieren, spiegelt die
eigene Interpretation der Bedeutung von „episch“ in Brechts Ideologie
wider: Themen aus der Vergangenheit aufzugreifen, sie aus ihrer Dramatik zu
entkleiden und ihnen eine moderne, historische Adaption zu geben, die das
Publikum in eine kritische Dimension einbezieht, die Reflexion oder Agitation
sein kann.
Am
Abend eröffnet Philipp Weidmann den Abend mit einer aufschlussreichen Reflexion
über die Hochschule für Theater und Musik in München. Das Gebäude, das für die
Erhaltung der Kunst errichtet wurde, wurde während des Krieges zu Hitlers Bühne
und ist heute ein Ort der Kultur, des Theaters, der Musik und der Unterhaltung
für Menschen aller Nationen, unabhängig von Religion, Herkunft und Sprache.
Stellen
Sie sich vor, wir befänden uns auf einer dieser Bühnen…
Eine
kleine Gruppe von Studenten und ihre Lehrerin stürmen verspätet in die Aula.
Die Lehrerin befiehlt ihre Handys auszuschalten und ruhig zu bleiben. Plötzlich
bewegen sich aus dem Publikum Schatten, die scheinen, aus dem Dunkel geboren zu
sein. Sie erkennen sich auf der Bühne als Menschen einer Gesellschaft, die dazu
einlädt, stereotypen Vorbildern zu folgen und somit eine Maske zu tragen.
Jeder
folgt den anderen; selbe Mode, Prinzipien, Bewegungen und Versuchungen. Dieser
Zustand scheint Wohlbefinden und Glück zu bieten. Der Schein führt jedoch ins
Verderben und in die Sucht bis zu der tiefen Erkenntnis, dass das kein Glück
sein kann. Die Tänzer nehmen ihre Masken ab und beginnen in der Freiheit zu
leben: ihnen ist es bewusst, von einem höheren Licht beschützt zu sein… Gott?
Die
Tänzer verlassen die Bühne, während die Lehrerin und ihre Klasse sie betreten.
Sie schlägt ihr vor, ein geistiges Stück zu spielen, das in der Erkenntnis der
Liebe Gottes gipfelt. Die Klasse lehnt vehement den Vorschlag ab und möchte sich
von den Rahmenplänen einer christlichen
Schule lösen. Der Vorschlag eines Schülers „Jugend ohne Gott“ zu spielen klingt
wie eine hervorragende sogar rebellische Alternative zu Gott.
Ein
Kriegspropagandavideo verändert das Szenario. Die Schüler schlüpfen in ihre
Rollen aus dem Roman, und die Bühne wird zu einem Klassenzimmer von 1933, das
nach den Gesetzen der damaligen Zeit eingerichtet ist. Die Schulkinder sind in
der Schule, um zu lernen, was die Politik der Zeit diktiert, während ein
vernünftiger Lehrer versucht, sie zu gesundem Menschenverstand und Respekt für
ihre Mitmenschen zu erziehen, auch wenn sie einer anderen Rasse angehören. Das
Ergebnis ist ein Konflikt zwischen Lehrern und Schülern, Institutionen und
Religion, die Vernichtung der menschlichen Werte und die Privilegien der
politischen Aristokratie. Ob er will oder nicht, der Lehrer wird die Klasse in
den Osterferien auf einen Campingplatz begleiten müssen.
Schnitt
Das
Publikum wird in die Welt des Kinos katapultiert, denn alles, was außerhalb der
Anstaltsmauern geschieht, wird in einem Film projiziert, der an einem
Wochenende während eines Workshops in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt
Wiesbaden entstanden ist. Nie war ein DSp-kurs besser geeignet für diese Art
von schauspielerischem Experiment, das in seiner ganzen Dynamik verzaubert und
fesselt. Während des Zeltlagers wird leider ein Schüler getötet. Ein anderer
Junge wird verdächtigt, der Komplize eines wilden Mädchens zu sein, das frei im
Wald lebt, außerhalb der Gesellschaft, und andere bestiehlt.
Schnitt.
Wir
kehren auf die Bühne zurück, diesmal in die Mauern eines Gerichtssaals, das
über zwei Opfer einer Gesellschaft zu urteilen hat, die andere beschuldigt,
ohne sich selbst zu betrachten. Während des Prozesses kommen Wahrheiten ans Licht,
die hinter üppigen Masken verborgen sind: zerrissene Beziehungen zwischen
Eltern und Kindern, die auf Gewalt, Vorurteilen und Hass basieren. Diese Szenen
erschüttern das Gewissen des Lehrers, der beschließt, seine verborgene Wahrheit
zu bekennen. Seine Geste wird ihn seinen Job kosten, aber sie setzt die
Maschinerie der Vernunft und des Glaubens an die Wahrheit in Gang, an die
Wahrheit, die weh tut, die uns aber frei macht, weil wir Gott nahe sind. Der
wahre Täter glaubt nicht an die göttliche Barmherzigkeit. Er schreibt einen
Brief und beschließt, Selbstmord zu begehen.
Schnitt
Inmitten
all dieser Persönlichkeiten, die krank sind, weil sie von heuchlerischen
Idealen des Glücks und der Zufriedenheit verdeckt werden, beschließen die
Schüler, dieses Drama doch nicht mehr aufzuführen, weil es völlig von den
Lebensidealen der jungen Menschen entfernt ist. Deshalb bitten sie die
Lehrerin, etwas vorzutragen, das mit Gott zu tun hat. Die Lehrerin kehrt
zurück, um ihre Tasche und den Schal, die sie auf der Bühne liegengelassen
hatte, zu holen und erzählt den Schülern, dass sie eine Stelle an einer
Missionsschule in Afrika angenommen hat. Angesichts der Enttäuschung der
Schüler beschließt sie, ihnen eine Nachricht zu hinterlassen.
Schnitt
Hier
setzt ein Videointerview mit Eva Erben, Überlebende der Konzentrationslager von
Auschwitz und des Todesmarsches, an. Eva, die heute in Israel lebt und Theater,
Literatur und Musik liebt (sie wirkte beim Musical Brundibar in Theresienstadt
mit), fordert die Schülerinnen und Schüler auf, das Leben für das Gute zu
leben, weil wir nur eines haben, und Probleme nach ihrer tatsächlichen
Bedeutung abzuwägen. Eva Erben glaubt nicht an Gott, weiß aber, dass sie ihm
sehr nahe ist.
Diese
Inszenierung zeigt, dass Kunst eine starke Kraft sein kann, um eine Botschaft
zu vermitteln und das Gedächtnis zu bewahren. Der Roman „Jugend ohne
Gott“ erinnert uns an die Vergangenheit und die Gründe für den Zweiten
Weltkrieg und fordert uns auf, kritisch über unsere Gesellschaft nachzudenken.
Die Aufführung ist beendet, aber die Botschaft bleibt.